Kommentar zu den Krawallen im Anschluss an die G20 Proteste

Für die einen war es „wie im Krieg“ (Kommentar einer Anwohnerin auf Spiegel Online), für die anderen eine erwartbare Eskalationsspirale. Fakt ist, dass es im Rahmen der G20 Proteste „Welcome to Hell“ zu massiven Ausschreitungen gekommen ist.

Um eines vorweg zu nehmen: Nein, die Polizei hat bei Weitem nicht alles richtig gemacht. Sie hat vielmehr die so genannte „Hamburger Linie“, also eine Null-Toleranz-Politik, an den Tag gelegt, die die Wucht und das Gewaltpotenzial derjenigen, denen es meiner Auffassung nach ohnehin weniger um die inhaltliche Auseinandersetzung und die rechtmäßige, auch aus meinen Augen durchaus notwendige, Kritik an der Politik der G20 geht, nur noch weiter befeuert.
Ob dies nun ein geplantes Vorgehen zur Diskreditierung der G20 Kritikerinnen oder um schlichte Inkompetenz im Hinblick auf die Gefahrenabwehr war, ist aus Sicht der Betroffenen Anwohnerinnen unerheblich.
Auch ein noch so eskalierendes Verhalten der Exekutivgewalt rechtfertigt aus meiner Sicht ein solches Vorgehen nicht, sofern grundsätzlich rechtsstaatliche Prinzipien und Interventionsmöglichkeiten gegeben sind.
Und eine demokratische Legitimation, sei es durch die Betroffenen Anwohnerinnen oder gar eine bundesweite Abstimmung der Bevölkerung, fehlt ohnehin.

Wer eine intelligente und vor allen Dingen hörbare Kritik an der Politik der G20 auf die Beine stellen will, muss sich im Vorfeld klar vom so genannten schwarzen Block, der sich gerne als Schutztruppe des Grundrechts auf Demonstrationsfreiheit stilisiert, in der Realität aber oftmals aus reinen Krawalltouristen besteht, die versuchen ihre Lust am Chaos in Manier des Jokers aus dem Film „The Dark Knight“ von Christopher Nolan („manche Menschen wollen die Welt einfach nur brennen sehen“) ausleben wollen, distanzieren.
Es ist diese mangelnde Distanzierung von breiten Teilen der deutschen Linken, die den konservativen und nationalkonservativen Medien überhaupt erst eine solche Resonanz verschafft, wie sie dieser Tage wieder zu finden ist.

Frei nach dem Motto „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ fällt es breiten Teilen der deutschen Linken viel zu schwer, Gewalt als Mittel der Politik durch so genannten Autonome in gleicher Deutlichkeit abzulehnen, wie sie es in Fragen der Repression durch den Staat oder der Außenpolitik vehement vertritt. Es scheint vielmehr ein opportunes Mittel zu sein, die Reihen zwischen denjenigen, die außerhalb ihrer gemeinsamen Ablehnung gegen das kapitalistische System (über dessen Definition nicht einmal ansatzweise Einmütigkeit besteht) eigentlich nicht viel verbindet, geschlossen zu halten. Auf der einen Seite diejenigen, die eine liberale Gesellschaft wollen und die Hoffnung haben, mit Argumenten und Ideen den demokratischen Diskurs so zu beeinflussen, dass Mehrheiten entstehen, auf der anderen Seite eine selbst erklärte Avantgarde, die unabhängig demokratischer Legitimation das Recht des moralisch Stärkeren in die eigene Hand nehmen will, um die Interessen derjenigen zu vertreten, die sie nicht um ein Mandat zu fragen brauchen, wenn die Mehrheit selbst nicht weiß, was gut für sie ist.

Infolge dieser „offenen Flanke“ zur Diskreditierung der Kritik ist es nicht verwunderlich, wenn diese Argumente ungehört verhallen. Und auch bei aller berechtigten Kritik am Vorgehen der Einsatzleitung kann man von Anwohnerinnen nicht erwarten, Verständnis für Proteste zu haben, die im Worst Case Szenario das eigene Leben gefährden. Wer kann schon mit 100 prozentiger Sicherheit ausschließen, dass ein Feuer nicht auf ein benachbartes Wohnhaus überspringt und die Rettungskräfte nicht schnell genug durch die Barrikaden und schieren Menschenmassen durchdringen können, um Schlimmeres zu verhindern.
Die Staatsgewalt kann sich eine argumentative Auseinandersetzung sparen, wenn die Protestierenden es der Polizei so leicht machen, eine inhaltliche Debatte beiseite zu wischen, indem sie der selbst erklärten Avantgarde durch ihre einseitige Kritik indirekt Rückendeckung gibt.

So unfair es auch sein mag und so ungleich die Machtverhältnisse auch sind, gehört es eben auch zur Wahrheit, dass sich die Linke nicht provozieren lassen darf, will sie sich mit ihren berechtigten Forderungen auch außerhalb der eigenen Meinungsblase Gehör verschaffen und die breite Mehrheit der Gesellschaft zu einem Umdenken veranlassen, das sich in Taten messen lässt und nicht zuletzt auch an der Wahlurne bemerkbar macht.
Damit möchte ich nicht dazu Auffordern, die Kritik am Vorgehen der Einsatzleitung zu unterlassen oder diese Kritik abzumildern. Ich selbst kenne die Erfahrung als friedlicher Demonstrant unbegründet eingekesselt zu werden und von Tränengasgeschossen getroffenen Journalistinnen die Augen auswaschen zu müssen. Nur auf die Polizei einzudreschen, ohne die Gewalt der selbst erklärten Revolutionäre zum Gesprächsthema zu machen oder sie einfach nur zu relativieren, hilft allerdings wenig und ist kontraproduktiv, sofern man nicht nur vor der eigenen Gemeinde predigen möchte.

Wer an diesen gesellschaftlichen Reflexen infolge legitimer Proteste etwas ändern will, muss nicht nur Gesicht zeigen, sondern auch jene ablehnen, die sich vermummen und genau dies im übertragenen Sinn damit nicht tun. Dass wir in Deutschland ein Vermummungsverbot auf Demonstrationen haben, hat nicht nur repressive sondern auch demokratische Gründe, die aus guten Gründen bestehen. Ansonsten verkommt eine Demonstration zum gleichen anonymen rechtsfreien Raum, wie es Facebook z.B. zur Zeit ist und was von jedem Demokraten eigentlich bedauert werden sollte.

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